Verlassene Kantina in Istro |
Wer heute in Istron den Weg am Strand befährt, der kommt an einer verlassenen Kantina vorbei, auf der man in verwaschenen Buchstaben noch den Text "Kantina Galini" lesen kann.
Kulas frühere Kantina in Istro |
Uns überkommen jedesmal wehmütige Gefühle und Erinnerungen, wenn wir hier vorbeikommen.
Es war unser erster langer Sommer auf Kreta 1995, als wir diesen Strand ausgemacht hatten, um dort des Öfteren zu sonnen und schwimmen zu gehen.
In diesen Jahren hatten wir noch den ganzen Winter jedes Wochenende mit verschiedenen Jobs durchgearbeitet, um uns dann drei, vier Monate unbezahlten Urlaub nehmen zu können und die Sommerzeit auf Kreta zu verbringen.
Entsprechend knapp war unser Budget und wir konnten kaum Geld für auswärtiges Essen ausgeben, weshalb wir auch nur wenige Lokalitäten kannten.
Wegweiser zu Kulas Kantina in Istro 1995 |
Als wir an einem Nachmittag nach erfrischendem Bad wieder in den Schatten der Tamarisken zu unseren Handtüchern kamen, lagen dort ein paar grosse Bündel Weintrauben auf unserer Lagerstatt.
Da wir unweit der Kantina lagen, vermuteten wir den freundlichen Spender dort und es saß auch ein Mann an einem Tisch, der uns zuwinkte.
Das wird wohl der Besitzer sein, dachten wir uns - und es ist vielleicht seine Art und Weise, die Kundschaft anzulocken.
Wir zogen uns etwas über und setzten uns zu ihm an den Tisch, bestellten eine Karaffe Raki und kamen ins Gespräch.
Es stellte sich heraus, daß Stavros - so hieß der nette Mann - auch nur zu Gast an der Kantine war, die einer Frau Anfang vierzig mit blonden Haaren gehörte, die Kula hiess.
An diesem Tag begann unsere langjährige Freundschaft mit Stavros, dem Bauern, der neben Kulas Kantina seinen Acker hatte.
Unter den Tamarisken an Kulas Kantina in Istro 1995 |
Im Laufe vieler Jahre haben wir gemeinsam viele Abende gegessen und getrunken, haben uns auch mit Stavros´ Familie angefreundet und waren auch auf der Hochzeit seines jüngsten Sohnes eingeladen, der seine Braut zu der berühmten kretischen Hochzeit in Kritsa ehelichen dürfte.
- Doch das ist eine andere Geschichte, die ich später mal erzählen werde -
Zurück zu Kula und ihrer Kantina am Strand :
Zwischen den Tamariskenbäumen hatte sie Kabeltrommeln als Tische aufgestellt, in den Bäumen hingen ein paar einzelne Glühbirnen und häufig trafen sich dort die Männer aus dem Dorf, gelegentlich war auch der Pope dabei und wir saßen immer in netter Gesellschaft , meist mit Stavros, der uns den anderen immer vorstellte, sodaß wir in kurzer Zeit bei Vielen bekannt waren.
Koula bereitete leckere Souvlaki und frischen Salat und sowohl der Wein als auch der Raki rundeten die urige Atmosphäre ab und wir sassen oft mit ihr und ihren Gästen bis in den späten Abend hinein in gemütlicher Runde und unser spärliches Taschengeld konnten wir an manchen Abend auch sparen, weil uns jemand einlud.
Wenn einen aus der Runde ein menschliches Bedürfnis überkam, wurde er immer hinter die Kantina geschickt - Männer rechts - Frauen links .
Hinter der Kantine befand sich allerdings nur ein grosses Feld mit unterschiedlichem Anbau.
So ergab es sich, daß fast jeder nach der Pinkelpause mit irgendeiner frischen Feldfrucht an den Tisch zurückkam - die dann beim nächsten Raki gemeinsam verzehrt wurde.
Kulas Kantina in Istro 1995 |
Kulas Kantina in Istro 1995 |
Im Sommer 1998 fand die Fussball-Weltmeisterschaft statt und zu einem Spiel hatten wir uns mit Stavros an Kulas Kantina verabredet, denn zu diesem Anlass hatte Kulas Sohn Jorgos in den Bäumen über den Tischen einen Fernsehapparat installiert.
So kam es, daß wir am 4. Juli das Spiel Deutschland-Kroatien abends um 22 Uhr unterm Sternenhimmel bei Meeresrauschen verfolgen konnten.
Stavros hatte ein geschlachtetes Huhn besorgt, welches Kula zubereitete und da sonst niemand das Fussballspiel hier verfolgen wollte, saßen wir den Abend zu fünft mit Stavros, Kula und Jorgos vor dem Fernsher unterm Tamariskenbaum.
Ich glaube, Deutschland hat damals verloren und ist bei der WM rausgeflogen - aber das war eigentlich völlig egal, denn es war einer der schönsten Abende auf Kreta .
Bereits ein oder zwei jahre später blieb Kulas Kantina geschlossen - sie sei erkrankt hörten wir.
Und ein Jahr später war Kula mit noch nicht einmal fünfzig Jahren an Krebs gestorben.
Die Kantina wurde nie wieder von jemandem neu eröffnet - auch nicht von Kulas Sohn, der noch ein paar Jahre in einem Supermarkt in Agios Nikolaos gearbeitet hat.
Und so steht für uns Kulas Kantina wie eine grosse Ikonostassi am Wegesrand, die uns jedesmal an die schöne Zeit und die liebe Frau erinnert.
Kulas Kantina in Istro 1995 |
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